Mykorrhizapilz - was heißt das eigentlich?

 

In vielen Pilzbüchern ist bei der Beschreibung einzelner Arten unter der Rubrik Ökologie die Angabe "Mykorrhizapilz" zu finden. Was ist das, ein Mykorrhizapilz?

Mykorrhiza heißt übersetzt so viel wie Pilzwurzel. Die Wurzelspitzen der Pflanzen gehen mit Pilzen eine Lebensgemeinschaft - eine Symbiose - ein. Die Erscheinungsform der Mykorrhizen ist bei den verschiedenen Pflanzengruppen sehr unterschiedlich. Man geht derzeit davon aus, daß etwa 85 % aller Pflanzenarten Mykorrhizen ausbilden. Genauso wie der Fruchtkörper ein spezielles Organ zur Fortpflanzung eines Pilzes darstellt, ist die Mykorrhiza ein Organ welches der Pilz primär zu seiner Nährstoffversorgung benötigt.

 

Abb. 1: Position und Funktion der Mykorrhiza im Wald.

 

Die Mykorrhiza unserer Bäume ist besonders augenfällig. Nahezu jede Wurzelspitze die ein Baum ausbildet wird von einer dichten Hülle aus Pilzhyphen umgeben. Die Hyphen wachsen zwischen die Wurzelzellen und tauschen hier Wasser und Nährstoffe mit der Pflanze aus (Abb. 2).

 

Abb. 2: Mikroskopischer Längsschnitt durch eine Wurzelspitze der Kiefer (Vergrößerung 1000 fach). H = Hartig-Netz, ein Hyphennetz welches sich zwischen die Wurzelzellen der Baumwurzel gequetscht hat; M = Mantel aus Pilzhyphen die die Wurzelspitze umhüllen; P = Parenchymzelle der Baumwurzel.




So ist für den Baum alles an Nährstoffen und Wasser, welches er aus dem Boden aufnehmen muß, nur über die Pilzen zu bekommen. Diese wiederum profitieren von den in den Blättern des Baumes gebildeten Zuckern. Zusätzlich von Bedeutung für den Baum und letztendlich auch für die Forstwirtschaft ist der Schutz vor Infektionen mit pathogenen Pilzen und Bakterien, da der Mykorrhizapilz ein Eindringen dieser Organismen in die Wurzeln unterbindet. Da ein Baum, ja selbst ein 1 cm kleines Wurzelstück mit vielen verschiedenen Pilzarten gleichzeitig Mykorrhizen bilden kann und jede Pilzart etwas andere Eigenschaften besitzt, hat ein Baum je nach Jahreszeit, Witterungs- und Nährstoffbedingungen die für ihn jeweils am besten geeigneten Pilzpartner zur Verfügung. Zu den Pilzpartnern unserer heimischen Baumarten gehört eine Vielzahl an Gattungen der Blätterpilze (z.B.: Amanita, Cortinarius, Russula, Lactarius, Tricholoma, Inocybe), fast alle Röhrlinge, sowie einige Ascomyzeten z. B. die Trüffel. Über ihr Myzel im Boden vernetzen die Pilze auch verschiedene Bäume untereinander, auch über Artgrenzen hinweg, und stellen so ein wichtiges Stellglied im Konkurrenzkampf der Bäume eines Bestandes dar.

Während nun der Fruchtkörper einer Art nur eine begrenzte Zeit im Jahr zu finden ist, lassen sich sein Mycel und auch seine Mykorrhizen im Boden fast das ganze Jahr über beobachten. Die Zuordnung der Mykorrhizen zu ihrer Pilzart ist schwierig und wird erst seit etwa 15 Jahren intensiver verfolgt. Dazu wurden Beschreibungen der Mykorrhizen - vergleichbar denen für Fruchtkörper - vorgenommen. Bislang sind etwa 250 Mykorrhizaformen beschrieben. Nicht in jedem Fall ist bekannt, welche Pilzart die beschriebene Mykorrhizaform gebildet hat. Bis zu ihrer Identifizierung wurden diese Formen daher mit eigene Artnamen versehen (z.B. Pinirhiza sulphurea - die schwefelgelbe Mykorrhizaform der Kiefer die wahrscheinlich von einem Schleierling gebildet wird).

 

Abb. 3: Wurzelabschnitt der Kiefer deren Wurzelspitzen mit Myzel eines Schleierlings (Pinirhiza sulphurea) mykorrhiziert sind.




Als Folge zunehmender Umweltverschmutzung ist in ganz Europa in den letzten Jahrzehnten die Zahl und Vielfalt an Pilzfruchtkörpern rückläufig. Mit dem Verschwinden dieser Pilze geht aber auch eine Verringerung mykorrhizierter Wurzelspitzen der Waldbäume einher. Die Veränderungen der Mykorrhizagesellschaften, dieses wichtigen Bindegliedes zwischen den Pflanzen und dem Boden im Ökosystem Wald, sind bereits jetzt erkennbar. Welche Folgen dies für die Vitalität unserer Wälder hat läßt sich derzeit noch nicht endgültig abschätzen. Gleichwohl haben es die Bäume zunehmend schwerer vorhandene Nährstoffe und Wasser aus dem Boden aufzunehmen, wenn die darauf spezialisierten Pilzpartner aus ihrer Lebensgemeinschaft ihnen dabei nicht mehr helfen können (siehe auch "Roberta´s Rache in Tintling 5 -1999) und ihre nun nackten Wurzelspitzen im Boden den parasitischen Pilzen und Bakterien schutzlos ausgeliefert sind.

 

Abb.4: Mykorrhizaformen von 8 unterschiedlichen Mykorrhizapilzen an Kiefer; Meßbalken = 0,3 mm








Dieser Artikel erschien im Tintling, 5 (1) (24-26).


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